Mediation gegen die COVID-19-Beziehungskrise

Text: Olga Kuck Wir Menschen sind gesellige Wesen und zählen Beziehungen zu den wichtigsten Voraussetzungen für unser Wohlbefinden. Gefestigte Partner-schaften führen zu einer höheren Lebensqualität und einer stabileren psychischen und physischen Gesundheit. Wenn wir in unsere Beziehung investieren, tun wir also auch uns selbst etwas Gutes. Partnerschaften sind ein Mehrwert, bedeuten aber auch, dass man stetig an sich und der Verbindung zum Gegenüber arbeiten muss. Gerade in Stresssituationen ist das Aufrecht-erhalten dieser Connection schwierig. Jetzt brauchen wir die Extraportion Geduld, damit wir verstehen, dass dieser Zustand nur eine Phase ist. Und Einfühlungsvermögen, um die Zeit in Quarantäne möglichst positiv zu gestalten und sich gegenseitig zu unterstützen.

Zeit für Streit
In Bezug auf die Beziehungsarbeit (sei das familiär oder geschäftlich) gilt: Reden ist Gold. Trotzdem kann es sein, dass auch eine eingespielte Kommunikation unter Stressbedingungen einbricht und man einfach keinen Zugang mehr zueinander findet. Dank der Quarantäne haben wir ausserdem gezwungenermassen mehr Zeit. Das klingt zuerst wie ein Luxus, doch viele unterschätzen den Stressfaktor dahinter. Anders als vor der Krise, gibt es nicht mal eine Möglichkeit der Flucht. Sich bei der besten Freundin im «Feines Kleines» ausheulen oder mit den Kollegen im «McArthurs Pub» den Kopf frei machen, geht nicht. Stattdessen wirft man sich alles an den Kopf, das vielleicht schon lange im Inneren geschlummert hat. Und das kann ausarten. Im absoluten Extremfall gehen Streitereien sogar über körperliche Grenzen.

Mediation als Konfliktbearbeitung
Ergibt sich eine Lebenssituation, in der die persönliche Integrität – egal welcher Art und welcher Form – verletzt wird, sollte man handeln. Eine der Möglichkeiten zur Konfliktbearbeitung ist die Mediation. Am einfachsten lässt sich die Mediation als ein aussergerichtlicher, strukturierter Kommunikationsprozess erklären. Dieser Prozess wird durch die Mediatorin oder den Mediator als neutrale Drittperson geführt. Im Gegensatz zu Anwälten sind Mediator*innen nicht am Vorteil einer Partei, sondern an einer Win-Win-Lösung für beide Seiten interessiert. Mediator*innen treffen keine Entscheide, sondern begleiten die in vielen Fällen hochemotionale Situation unter Einbezug ihrer juristischen Kompetenzen. Mediator*innen stehen Methoden und Techniken der Diskussions-führung sowie das Wissen über die rechtlichen Weisungen, Pflichten und Möglichkeiten zur Verfügung. Letzteres spricht der Mediation einen grossen Vorteil gegenüber einer Paar- und Gesprächstherapie zu.

Gespräch mit dem Profi
Daniela Strahm ist selbstständige Mediatorin am Zentrum für Mediation mit Sitz an der Bachstrasse in Lenzburg. Ihr Fachgebiet sind Trennungen und Scheidungen. Sie hat Erfahrungen in Schul- und Unternehmensmediationen und als Beiständin bei schwierigen Familienkonstellationen. Ausserdem führt Frau Strahm auch vom KESB angeordnete Mediationen und weist Weiterbildungen als Kinderinterviewerin auf.

– Gibt es in der Mediation Ventilmöglichkeiten zur Deeskalation?

Raus aus der Situation! So lange wir keine Ausgangssperre haben, kann ein kurzer Spaziergang Wunder wirken. Emotionen zulassen: Alle Gefühle sind erlaubt, aber nicht alle Handlungen. Das dies nicht immer einfach umzusetzen ist, kann ich gut nachvollziehen. Kurz vor der Eskalation sind die Paare mitten im Streit, wir reden da nicht mehr von Meinungs-verschiedenheiten oder einer Verstimmung. Sich in dieser Situation ein Time-Out zu nehmen ist nicht so einfach.

– Wem und in welchen Fällen hilft die Mediation?

Grundsätzlich können alle Menschen mit fast jedem Thema in eine Mediation gehen. Sehr erfolgreich sind wir bei Trennungen / Scheidungen und Mediationen in Organisationen. Aber auch angeordnete Mediationen können erfolgreich sein. Hier ist aber der Ansatz ein anderer. Mediation ist im Grundsatz ein freiwilliges Verfahren. Es kann jederzeit von einer Partei beendet werden. Bei einer angeordneten Mediation werden die Medianden – meistens von einem Gericht – gezwungen, eine Mediation zu machen.

– Worin unterscheidet sich die Mediation von der Paartherapie?

Da ich keinen therapeutischen Hintergrund habe, ist das für mich schwierig zu beantworten. Was aber ein wichtiger Ansatz ist: In der Mediation werden Lösungen für die von den Medianden vorgegebenen Themen gefunden. In einer Therapie können auch frühere Verletzungen mit therapeutischen Massnahmen aufgearbeitet werden. Da grenzen wir uns stark ab. Wir bei der Mediation im Zentrum in Lenzburg (MIZ) haben einen rechtlichen Hintergrund und können deshalb keine Therapien anbieten. Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb wir uns vor allem bei Trennungen / Scheidungen und Wirtschaftsmediationen (Übernahmen von Firmen/Generationenkonflikte) anerbieten. Hier spielt der rechtliche Aspekt mit.

– Wie läuft die Mediation ab?  

Es gibt einen vorgegebenen Rahmen für den Ablauf einer Mediation: Kontaktaufnahme, Erklärung der Mediation, Vorbereitung.

1)    Vereinbarung zwischen Beteiligten schliessen
2)    Themen identifizieren (= Konfliktfelder)
3)    Interessen und Bedürfnisse erarbeiten
4)    Optionen sammeln und Lösungen erarbeiten
5)    Vereinbarung abschliessen

– Was raten Sie Familien oder Paaren in dieser schwierigen Zeit?

Nehmen Sie sich Auszeiten. Holen Sie sich rechtzeitig Hilfe. Manchmal reicht schon eine Sitzung bei uns, einfach damit sich Paare oder auch Familien in einem anderen Setting aussprechen können. Wir haben extra auch Kinderstühle bei uns, die stellen wir gelegentlich stellvertretend für die Kinder hin. Und wenn es um das Wohl der Familie bzw. der Kinder geht, ist oft ein aktives Mitarbeiten gut möglich.

– Ist es nicht schwierig, die Vermittlerfunktion wahrzunehmen?

Nein, da ich emotional nicht am Konflikt beteiligt bin. Ich werde oft gefragt, ob ich diese Arbeit nicht frustrierend finde. Das war noch nie der Fall. Ich mag Menschen und freue mich, wenn die Beteiligten eine einvernehmliche Lösung gefunden haben. Es ist nicht immer sofort eine Win-Win-Situation. Es braucht Mut, Kraft und auch eine gewisse Kompromissbereitschaft zum Wohle von jemandem (Kinder) oder etwas (Geschäft, Familie…). Aber ich bin überzeugt, dass man aus einer Mediation auch gestärkt geht. Wichtig ist für mich immer, dass niemand das «Gesicht verliert» und, dass Emotionen Platz haben. Jeder hat Recht – aus seinem Blickwinkel aus gesehen.

– Was schätzen Sie an der Mediation am meisten?    

Die Nachhaltigkeit. Paare sind die Experten ihres Konfliktes und als diese nehmen wir sie auch wahr. Die Parteien erarbeiten gemeinsam eine Lösung. Erst wenn alle einer Lösung zustimmen können, dann gibt es eine Vereinbarung.

Mehr Informationen zu Daniela Strahm und der Mediation gibt es unter: www.miz-lenzburg.ch/


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